GA-Serie: Bonner Perspektiven Eine gute Wohnung ist wie ein Lottogewinn

BONN · Wer behauptet eigentlich, es gebe keinen Wohnraum in Bonn? Zwei, drei Klicks im Internet reichen, um eine wunderschöne Vier-Zimmer-Wohnung mit Blick auf den Hofgarten angeboten zu bekommen. 133 Quadratmeter, 1860 Euro Kaltmiete. Zu teuer?

Es gibt auch Preiswerteres: 121,71 Quadratmeter in der Südstadt für 1170 Euro (ohne Nebenkosten). Oder 75 Quadratmeter in Beuel für 650 Euro, 87 Quadratmeter auf drei Zimmer verteilt in Friesdorf für 820 Euro und knapp 77 Quadratmeter in Tannenbusch für 397,02 Euro - dort kommen aber 399 Euro an Nebenkosten drauf.

Scherz beiseite. Das sind natürlich nur Spots, die man ins Dunkel hält und die nur ein ungenaues Bild vom Ganzen zeigen. Die Realität sieht anders aus. Betroffene sprechen von "Wohnungsnot", Glückliche erzählen von einem "Lottogewinn".

Wenn gut verdienende Paare (ohne Kind!) schon wegziehen, um eine adäquate Wohnung zu einem bezahlbaren Preis zu bekommen, dann ist das mehr als nur ein Alarmzeichen. Otto-Normal-Familien können sich die Wohnungen in Bonn kaum leisten.

Auch Studenten brauchen Wohnraum

Und die Studenten? Bonn ist Unistadt, und jedes Jahr appellieren die Hochschulen zum Semesterstart, doch bitte freie Zimmer und Apartments zu melden. Fakt ist: 670 Euro beträgt heute der Bafög-Höchstsatz.

Davon muss noch die Krankenversicherung gezahlt werden. Für ein WG-Zimmer oder eine Unterkunft in einem Studentenwohnheim zahlen junge Leute etwa 200 bis 400 Euro. Tendenz eher steigend.

Wie viel Wohnraum tatsächlich fehlt, sei schwer abzuschätzen, heißt es bei der Stadt. Und man verweist auf das "Regionale Wohnungskonzept 2020", das von einem Neubaubedarf von 1000 bis 1500 Wohneinheiten pro Jahr ausgeht.

Die Prognose ist allerdings schon acht Jahre alt. Der "Marktreport Wohn- und Geschäftshäuser Bonn 2013/2014" geht von rund 5000 fehlenden Wohnungen aus. Weitere Prognose: Bonn mit 312.000 Einwohnern soll bis 2040 um 12,1 Prozent wachsen.

Wohnungsmangel, wohin man schaut

Man kann also festhalten: Es mangelt an Wohnraum - aber wie viel tatsächlich benötigt wird, weiß niemand. Es herrscht eher so etwas wie ein "gefühlter Wohnungsmangel". Was wir allerdings immer wieder feststellen: Sobald die Zeitung etwas über ein neues Wohnbaugebiet berichtet, laufen die Telefonate ein von Menschen, die dringend etwas suchen.

Auch das ist klar: Eine Stadt wie Bonn, die so begrenzt in ihrer Flächenkapazität ist, kann nicht viel Bauland anbieten. Und das wenige, das sie hat, braucht Ewigkeiten, bis dort die ersten Bagger anrollen.

Zum Beispiel das Baugebiet Geislar-West: Der erste "Ideenwettbewerb" wurde 1998 ausgelobt, gerade wird das Areal für die Bebauung vorbereitet. Das Baugebiet "Am Hölder" in Röttgen gehört da schon eher zu den Turbomaßnahmen dieser Stadt. 2002 wurde die vorzeitige Bürgerbeteiligung für das Bebauungsplanverfahren eingeleitet, heute wird fleißig gebaut.

Fast kein Neubau ohne Anwohnerproteste

Das größte Problem: der Widerstand der Anwohner. Egal, ob es sich um ein neues Wohngebiet wie am Rosenfeld in Buschdorf handelt oder um Nachverdichtung wie an der Didinkirica in Bonn-Castell. Es gibt Ablehnung an der Graf-Stauffenberg-Straße in Kessenich, an der Karl-Barth-Straße in Dottendorf und an der Pützchens Chaussee in Beuel.

Es gibt Proteste gegen die Bebauung von Beckers Garten in Rüngsdorf, und man will keine Nachverdichtung in der Amerikanischen Siedlung oder in Tannenbusch, keine in der Bonner Altstadt und keine in Plittersdorf.

Die einen schieben ökologische Gründe ("Frischluftschneise", "letztes grünes Fleckchen"), die anderen Denkmalschutzgründe vor, die einen befürchten ein zu hohes Verkehrsaufkommen, die anderen geben unverhohlen zu, ihr "höherwertiges Wohngebiet" würde leiden. Ginge es nach den Bürgern, dann würde sich nichts mehr ändern in Bonn - vor allem nicht in ihrer Nachbarschaft.

Sozialer Wohnungsbau ist nicht erwünscht

Noch weniger will man sozialen Wohnungsbau in seiner Nähe dulden. Dabei wird dieser Wohnraum immer knapper. Allein zwischen 2012 und 2016 fallen in Bonn nach Schätzung der Stadt etwa 3000 geförderte Wohnungen weg, in dieser Zeitspanne müssten aber 7500 neue entstehen.

Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung können sich Familien mit geringem Einkommen gerade einmal fünf Prozent der bestehenden Wohnungen in der Bundesstadt leisten.

Und über bedarfsgerechte Wohnungen für ältere oder behinderte Menschen haben wir noch gar nicht gesprochen. Helmut Hergarten, Hauptgeschäftsführer von Haus & Grund, schätzt, dass mit der zunehmenden älteren Bevölkerung das nächste Problem auf Bonn zurolle. Die Zahl barrierefreier oder barrierearmer Wohnungen sei im Verhältnis zur wachsenden Nachfrage zu gering.

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