Porträt von Anouschka Renzi „Ich habe so geliebt“

Bonn · Ein Gespräch mit der Schauspielerin Anouschka Renzi über „Die Kameliendame“ am Kleinen Theater.

 Die Schauspielerin Anouschka Renzi in Bonn.

Die Schauspielerin Anouschka Renzi in Bonn.

Foto: Benjamin Westhoff

Abendessen mit Anouschka Renzi beim beiderseitigen Lieblingsitaliener, dem „Valtellina“ in Bad Godesberg. Es gibt gegrillte Dorade und Fettuccine mit Pfifferlingen. Die Louise-Brooks-Frisur steht ihr ausgesprochen gut. Wie die legendäre amerikanische Filmschauspielerin glänzte auch Anouschka Renzi als Wedekinds Lulu. Zudem ist La Renzi ähnlich unangepasst, eigensinnig und kämpferisch wie Louise Brooks. Sie schätzt die abgründigen Rollen, die schweren Figuren, die gebrochenen Charaktere. Wie die Titelfigur in der „Kameliendame“. Das Stück mit Anouschka Renzi in der Hauptrolle feiert am 27. August Premiere im Kleinen Theater Bad Godesberg.

Als strahlende Heldin oder Freundin-zum-Pferdestehlen wird Anouschka Renzi, die Anfang 2013 als Anna Karenina am Kleinen Theater brillierte, in aller Regel nicht besetzt. „Ich verkörpere nun mal nicht die deutsche Kartoffel“, sagt sie achselzuckend und mit diesem filigranen, hinreißenden Verdacht eines spöttischen Lächelns um ihre Lippen. „Ich war nie lange genug in irgendeiner Schublade, um festgelegt zu sein.“

In der „Kameliendame“ von Alexandre Dumas-fils, die 1848 als Roman („La dame aux camélias“) und 1852 als Schauspiel erschien, trifft die Edelkurtisane Marguerite Gautier auf den jungen Armand Duval. Die beiden verlieben sich unsterblich ineinander, und Marguerite, der wahre Liebe bislang nicht begegnet ist, streift ihr bisheriges Leben ab. Unter Einsatz Marguerites letzter Mittel ziehen die Liebenden in ein einsames Landhaus fern von Paris. Als Armands Vater eines Tages dort aufkreuzt und Marguerite unter vier Augen dazu drängt, die Beziehung zu seinem Sohn zu beenden, nimmt das Drama – in insgesamt fünf Akten – seinen Lauf.

„Eine solche Liebe habe ich persönlich nie erlebt“, sagt Anouschka Renzi und blickt gedankenverloren durch das Panoramafenster, weit über die Dächer der Kammerspiele hinweg. „Dass man so unendlich lieben kann, um für diese Liebe alles aufzugeben.“ Sie sieht ihren Gesprächspartner intensiv an, mit Augen wie dunkel glänzender Bernstein. „Das ist mir noch nicht passiert, dass ein Mann mich so liebt.“ Die Frage, die sich an dieser Stelle aufdrängt, wird bis zum Ende warten müssen.

Marguerite folgt den Anweisungen von Duval senior, zum Schein kehrt sie sogar in ihr altes Leben als Luxusmätresse zurück. „Aus Liebe zu Armand willigt sie ein, sich zurückzuziehen“, erklärt Anouschka Renzi die Motivation ihrer Figur. „Das ist Liebe. Echte Liebe ist nicht egoistisch – zumindest sollte sie das nicht sein.“ Sie fange stets erst kurz vor Beginn der Arbeit an, sich mit diesen komplexen, gebrochenen Rollen zu befassen, „weil sie mich immer sehr einnehmen und bewohnen“. Marguerites Situation sei „herzzerreißend. Diese ewige Angst, verlassen zu werden – und auch diese Vorahnung, dass es nicht sein kann, dass sie glücklich ist. Dass Bestrafung kommt.“

Für die viersprachige Schauspielerin, die mehrfach mit Peter Zadek zusammengearbeitet hat und neben Isabelle Huppert am Pariser Théâtre de Odeon spielte, ist Dumas’ „Kameliendame“ nicht in die Gegenwart zu verlegen: „Es sind Frauen, die sich beugen müssen und die durch die Welt der Männer zugrunde gehen. Für das Glück des Mannes opfern sie ihr eigenes Glück.“

Die Sonne ist untergegangen. Der aufmerksame Kellner, der wie der junge Bruder von Robert De Niro aussieht, bringt Espresso. Noch nie hätte sie eine solche unendliche Liebe von einem Mann erlebt, hatte Anouschka Renzi zu Beginn unseres Gespräches gesagt. Und – wie ist es umgekehrt? Sie zögert keine Sekunde. „Ich habe so geliebt.“

„Die Kameliendame“ im Kleinen Theater Bad Godesberg, Premiere am 27. August, Karten in den GA-Zweigstellen und unter Tel. (0228) 50 20 10

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