Razzien in Bonn und Siegburg Bonner soll Sprachtests manipuliert haben

Bonn/Siegburg · Bei der NRW-weiten Razzia gegen die Gruppierung "Al-Salam 313" führen Spuren auch nach Bonn und Siegburg. Ein 63-Jähriger hat Räume des DRK in der Kreisstadt für Sprachtests genutzt, die manipuliert worden sein sollen.

 Symbolbild

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Foto: dpa/Arne Dedert

Kriminelle Familienclans, Hochzeitsfeiern auf Autobahnen, Mafiaorganisationen – über allzu langatmige Arbeitstage können sich Beamte der Spezialeinsatzkommandos und Hundertschaften in der nordrhein-westfälischen Polizei in diesen Wochen nicht beklagen. Zwölf Städte an Rhein und Ruhr sind an diesem Mittwoch das Ziel ihrer Mannschaftswagen. Auftrag: Sicherung von Beweismaterial gegen eine Bande, die sich im Land mit Schleusergeschäften, Drogen- und Waffenhandel hervortut. 49 Wohnungen und Geschäftsräume werden im Zuge der überregionalen Razzia durchsucht. „Al-Salam 313“, so nennt sich die irakisch dominierte Gruppierung, deren Anmutung äußerlich wie eine Melange aus muskelbetonter Rockerkluft, prägnanten Goldketten und vorderasiatischen Männlichkeitsritualen daherkommt.

Nicht recht in derlei Bilder scheint nun ausgerechnet jener Mann zu passen, den die Polizei im Zuge der Aktion am Mittwochmorgen in Bonn ins Visier nimmt. Sein Zuhause ist ein unauffälliges Mehrfamilienhaus unweit des Clemens-August-Platzes in Poppelsdorf. Die Tätigkeit, welcher der 63-Jährige regelmäßig in Siegburg nachging, hat aber offenbar mehr als nur das Interesse der Ermittler geweckt. Sie werfen ihm nicht weniger als die „Einschleusung von Ausländern“ sowie „Fälschungsdelikte“ vor, wie Niclas von Hobe, Sprecher der federführenden Essener Staatsanwaltschaft, auf Anfrage dieser Zeitung bestätigt.

Manipulationen bei Sprachtests

Sollten die Vorwürfe der Strafverfolgungsbehörden zutreffen, so hätte das „Geschäftsmodell“ des Bonners, eines gebürtigen Deutschen, offenbar eine ganze Weile funktioniert: Als Geschäftsführer und Prüfungsbeauftragter leitet er eine Sprachschule, die Sprachtests für Ausländer anbietet – und wo man die Möglichkeiten zur Manipulation offenbar voll ausspielte.

Die Sprachtests, die der 63-Jährige in seiner Schule durchgeführt hat, sollen den Ausländern zur Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung, der Einbürgerung sowie als Nachweis von Deutschkenntnissen dienen. Letztere sind beispielsweise für die Arbeitsaufnahme notwendig. „Es besteht der Verdacht, dass in der Sprachschule Sprachkurse absolviert wurden, die für ein ausländerrechtliches Verfahren erforderlich sind und dass hierbei Manipulationen erfolgt sind“, sagt Niclas von Hobe.

Und das ging so: Dem Sprecher zufolge gingen die Manipulationen so weit, dass „den Prüflingen die Aufgaben im Vorhinein gegeben wurden oder anderweitig Hilfestellung für den Test geleistet wurde“.

Gezielte Schleusung zur Sprachschule?

Doch damit nicht genug: Wie aus Ermittlerkreisen zu erfahren war, sollen zuweilen ganz andere Personen anstelle der „echten“ Prüflinge die Aufgaben bewältigt haben – wobei der Chef der Sprachschule großzügig alle Augen zugedrückt haben soll. Auch, so ein weiterer Vorwurf, seien die Lösungen der Aufgaben in anderen Fällen über technische Geräte wie Telefone oder via „toter Briefkasten“ auf der Toilette an die Teilnehmer übermittelt worden.

Bei alledem hatte der 63-Jährige nach Überzeugung der Strafverfolgungsbehörden mindestens einen Komplizen. Der Mann aus Köln soll dem Bonner Ausländer für den Sprachtest vermittelt, den Prüflingen das Bestehen der Prüfung garantiert und dafür von den Teilnehmern des Tests Geld erhalten haben. Sein Preis je „bestandenem“ Sprachtest habe bei 1000 bis 1500 Euro gelegen. Von Hobe: „Es besteht der Verdacht, dass Personen gezielt zur Sprachschule geschleust worden sind.“ Wie oft das Muster durchgezogen wurde, ist unklar. Doch müssen die Drahtzieher derart den Verdacht der Behörden auf sich gezogen haben, dass diese irgendwann verdeckte Ermittler auf sie ansetzten.

Zusammenarbeit dauerte fünf Jahre

Die Siegburger Innenstadt am Mittwochvormittag. In der Fußgängerzone hat die Sprachschule ihren Sitz. Dass sie am Morgen ebenfalls ein Ziel der Razzia war, versucht ein Mitarbeiter wenige Stunden danach auch gar nicht zu verhehlen. Danach gefragt, beschränkt er sich auf die Worte: „Die Sache ist beim Anwalt, jetzt warten wir mal ab.“ Auskunftsfreudiger ist da Lars Nottelmann, Leiter des Siegburger Ortsvereins des Deutschen Roten Kreuzes.

Auch dessen Räume, einen Steinwurf von der Sprachschule entfernt, haben die Ermittler am Morgen durchsucht, anders als in Sprachschule und Privatwohnung dort aber keine Computer, Telefone und Datenmaterial sichergestellt. „Der betreffende Herr hat unsere Räume ein Mal im Monat gemietet und hier in Eigenverantwortung Sprachtests durchgeführt“, berichtet Nottelmann dem General-Anzeiger. Fünf Jahre habe die Zusammenarbeit gedauert, sagt der DRK-Chef. Seit dem Morgen sei sie erst einmal beendet: Nottelmann: „Bis die Ermittlungen Licht ins Dunkel bringen, haben wir ein Hausverbot ausgesprochen“.

Spur zur "rockerähnlichen Gruppierung"

Der Verdacht des gemeinschaftlichen Betrugs, der Urkundenfälschung sowie des Verstoßes gegen das Einbürgerungsgesetz gegen die beiden Hauptverdächtigen ist das eine. Dass der Fall in seiner Dimension zulegen könnte, liegt weniger an dem 63-jährigen Bonner, der auf Fotos wirkt wie ein unbescholtener Frührentner und der am Mittwoch vorerst auf freiem Fuß blieb. Besondere Aufmerksamkeit der Polizei gilt seinem mutmaßlichen Kölner Komplizen. Dessen Spur nämlich führt geradewegs in die Reihen der in Essen gegründeten Gruppe „Al-Salam 313“.

Als „rockerähnliche Gruppierung“ bezeichnet sie der Sprecher der Essener Staatsanwaltschaft. Als Symbol auf ihren Kutten haben sich die Mitglieder auf die Friedenstaube verständigt. Bilder, die im Internet von ihnen kursieren, wirken indes weniger wie Botschaften der Versöhnung und des Friedens. Und auch die Staatsanwaltschaft geht von einer „hierarchisch organisierten Struktur“ aus, die ihren Opfern Angst einflößt.

Dass es nicht allein die Freude am Fahrtwind auf zwei Rädern war, die die Gefährten zusammenführte, dafür spricht ihre Entstehungsgeschichte: Immerhin bezieht sich die 313 in ihrem Namen auf die 313 Gefährten des nach schiitischen Vorstellungen als Heilsbringer verehrten Iman Al-Mahdi. Das Logo der weißen Taube verbindet sie mit der paramilitärischen Einheit „Jaish al-Mahdi“, die auch Todesschwadronen im Irak gestellt haben soll. Diese sind militärisch ausgebildet und waren bei den Angriffen gegen den IS in Mossul beteiligt. Auf die Ermittler wartet nun einige Arbeit, zu der auch die Frage gehört, ob ganz gezielt irakische Paramilitärs nach Deutschland geschleust werden sollten. Die Auswertung des Beweismaterials dürfte eine Weile dauern.

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