Folter in Nordkorea? Leiche von Otto Warmbier wird nicht obduziert

Peking · Der US-Student Otto Warmbier kam als Tourist nach Nordkorea, wurde dort eingesperrt und fiel ins Koma – nun ist er tot. Seine Leiche wird jedoch nicht obduziert.

Am 29. Dezember 2015 stieg Otto Warmbier am Flughafen von Peking in eine Maschine, die ihn nach Nordkorea brachte. Der amerikanische Student hatte eine Tour gebucht, er war Teil einer Gruppe. Fünf Tage wollte er in dem abgeschotteten Land verbringen, dann zurück nach China reisen und ein Studium aufnehmen.

Es sollte anders kommen. Als Warmbier am Morgen des 2. Januar am Flughafen von Pjöngjang abfliegen wollte, nahmen die nordkoreanischen Behörden ihn fest. Sie beschuldigten ihn, ein patriotisches Propagandabanner von einer Wand gerissen zu haben. Zwei Monate später verurteilte ihn die Justiz des totalitären Staates wegen eines „staatsfeindlichen Aktes“ zu 15 Jahren Arbeitslager. In der vergangenen Woche ließ das Regime ihn überraschend ausfliegen. Doch er lag im Koma – seinen Ärzten zufolge schon seit über einem Jahr. Er hatte schwere Hirnschäden, deren Ursachen unklar sind. Am Montag ist der 22-Jährige in der Universitätsklinik von Cincinnati gestorben.

Angespanntes Verhältnis

Es ist eine tragische Geschichte, die viel erzählt über das angespannte Verhältnis zwischen den beiden Ländern. Sie handelt von einer verzweifelten Familie, schwedischen Diplomaten und amerikanischen Ärzten, die Kernspintomografie-Aufnahmen aus Nordkorea studieren.

Bei der Gerichtsverhandlung im März 2016 war Warmbier zum letzten Mal öffentlich aufgetreten. Zwei nordkoreanische Beamte in khakifarbenen Uniformen führten den jungen Mann damals vor die bereitstehenden Kameras. Unter Tränen gestand er die Tat. Unklar ist immer noch, ob er dazu gezwungen wurde. Verzweifelt bat er um Vergebung, und er sagte, er habe den schlimmsten Fehler seines Lebens begangen.

„Bitte rettet mein Leben“, soll er schwedischen Diplomaten zufolge noch gefleht haben, bevor nordkoreanische Beamte ihn abführten. Die USA selbst unterhalten mit Nordkorea keine diplomatischen Beziehungen. Deswegen nehmen schwedische Vertreter die US-Interessen in Pjöngjang wahr.

Keine Obduktion

Großflächige Schäden am Hirngewebe habe der junge Student in Nordkorea erlitten, teilten seine Ärzte in Cincinnati nach gründlicher Untersuchung mit. Er habe sich bei seiner Rückkehr in einem „Zustand von reaktionsloser Wachheit“ befunden. Er habe mit den Augen blinzeln können. Anzeichen dafür, dass er die verbalen Signale um sich herum verstand, gab es jedoch nicht. Wie der Student in diesen Zustand kommen konnte, darüber wollten die Ärzte nicht spekulieren. Sie nannten auch keine Todesursache. Obduziert werden soll die Leiche nach den Wünschen der Eltern jedoch nicht. Dieser werde respektiert, teilte die Gerichtsmedizin am Dienstag im Bundesstaat Ohio mit.

Ein hochrangiger amerikanischer Beamter hatte zuvor die Vermutung geäußert, dass Warmbier während der Haft schwer misshandelt worden sei. Man habe seinen Körper untersucht und keine Frakturen festgestellt, die ein Beweis für Schläge hätten sein können, sagte hingegen sein Arzt Daniel Kanter. Die Verletzungen in seinem Gehirn wiesen darauf hin, dass die Sauerstoffzufuhr durch einen Atemstillstand unterbrochen worden sei. Was dazu geführt habe, sei aber unklar. Die Ärzte haben Kernspintomografie-Aufnahmen aus Nordkorea bekommen. Die frühesten stammten vom April 2016. Es sei möglich, dass Warmbier die Verletzungen in den Wochen zuvor erlitten habe, heißt es.

Nordkoreanische Regierungsvertreter stellten den Fall so dar, dass ihr Häftling kurz nach seiner Verurteilung im März 2016 an einer Nahrungsmittelvergiftung erkrankte. Wärter hätten ihm daraufhin eine Schlaftablette gegeben, woraufhin er das Bewusstsein verlor und nicht mehr erwacht sei.

Die Suche nach der Todesursache

Experten in China halten die Version der nordkoreanischen Behörden durchaus für realistisch, glauben aber, dass sie nicht mit der ganzen Wahrheit herausrücken. Sie vermuten, dass der junge Warmbier an Botulismus erkrankt war, im Volksmund auch bekannt als Fleisch- oder Wurstvergiftung. Meist wird diese lebensbedrohliche Vergiftung durch ein bestimmtes Bakterium in verdorbenem Fleisch oder vergammeltem Gemüse hervorgerufen. Selbst wenn diese verseuchten Lebensmittel noch mal erhitzt werden und das Bakterium abgestorben ist, bleibt der Giftstoff bestehen. Schon geringe Mengen Botulinumtoxin können beim Menschen die Muskulatur lähmen – was wiederum zu Atemstillstand führen kann.

Wird bei einem Menschen Botulismus diagnostiziert, hilft kein Antibiotikum, sondern nur ein spezielles Gegengift. Sollte sich herausstellen, dass Warmbier vor einem Jahr wirklich an diesem schweren Gift erkrankt war, hätten die nordkoreanischen Behörden ihm also auf keinen Fall ein Schlafmittel geben dürfen.

Furchtbare Haftbedingungen sind bekannt

Der Vater des 22-Jährigen hält die Darstellung des nordkoreanischen Regimes für wenig glaubwürdig. Er bedankte sich bei Präsident Donald Trump für seine diplomatischen Bemühungen, erhob hingegen schwere Vorwürfe gegen seinen Vorgänger Barack Obama. Dessen Regierung habe seine Familie zur Zurückhaltung aufgerufen. Die Resultate würden für sich sprechen.

Der Freilassung Warmbiers Anfang der Woche waren offenbar geheime Gespräche zwischen nordkoreanischen und amerikanischen Regierungsvertretern vorangegangen. Die „New York Times“ berichtet, dass der US-Sonderbeauftragte für Nordkorea, Joseph Yun, im Mai nach Oslo gereist war, um mit nordkoreanischen Vertretern über die Freilassung von derzeit insgesamt drei US-Bürgern zu verhandeln. Zwei von ihnen sind auch weiterhin in nordkoreanischer Haft. Dass es diese Gespräche gab, hat keiner der beiden Seiten bislang offiziell bestätigt. Aus Pjöngjang heißt es, Nordkorea habe Warmbier aus „humanitären Gründen“ freigelassen.

Nordkorea ist für seine furchtbaren Haftbedingungen bekannt. Die Menschenrechtsgruppe Amnesty International schätzt, dass derzeit 200.000 Menschen in den Arbeitslagern des Landes schuften. Berüchtigt ist vor allem Lager Nummer 16, das angeblich 20.000 Insassen zählt. Die Häftlinge seien unterernährt, müssten hart arbeiten und würden gefoltert. Vergewaltigungen und Schläge gehörten zum Alltag.

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