Merkel stimmt mit "Nein" Der Bundestag stimmt für die "Ehe für alle"

Berlin · Die Entscheidung im Bundestag ist gefallen: 393 Abgeordnete stimmten mit "Ja" für die "Ehe für alle", 226 mit "Nein". In ihrem Statement begründet Merkel ihr "Nein".

In einer historischen Entscheidung hat der Bundestag Ja zur Ehe für Homosexuelle gesagt. Nach einer ergreifenden Debatte mit viel Emotionen und Appellen, aber auch Kritik und Zweifeln stimmte am Freitag eine große Mehrheit der Abgeordneten für die Ehe für alle, darunter auch 75 aus der Union. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) allerdings votierte mit Nein. „Für mich ist die Ehe im Grundgesetz die Ehe von Mann und Frau“, sagte die CDU-Vorsitzende nach der Abstimmung.

Nach der Entscheidung liefen Abgeordneten und Besuchern vor Glück Tränen über das Gesicht. Merkel hatte am Montagabend überraschend erklärt, sie plädiere für eine Gewissensentscheidung bei diesem Thema. Der Koalitionspartner SPD sowie Linke und Grüne hatten die Abstimmung daraufhin gegen den Willen von CDU/CSU am Freitag durchgesetzt. Die Union sieht darin einen Vertrauensbruch.

Gleichwohl stimmten am Freitag nicht nur SPD, Grüne und Linke für den Gesetzentwurf des Bundesrates, sondern auch fast ein Viertel der Unions-Abgeordneten. Die Fraktionsdisziplin war aufgehoben worden. Insgesamt votierten 393 Parlamentarier mit Ja, 226 mit Nein, vier Abgeordnete der Union enthielten sich. 623 der insgesamt 630 Parlamentarier waren zur Abstimmung gekommen.

Merkel erklärte anschließend, sie setzte nun auf Respekt und Frieden. Sie selbst sei zu der Überzeugung gelangt, dass die Volladoption für gleichgeschlechtliche Paare möglich sein sollte. Doch der grundgesetzliche Schutz nach Artikel 6 beinhalte für sie die Ehe für Mann und Frau. Sie hoffe aber, dass nun „ein Stück gesellschaftlicher Friede geschaffen werden konnte“.

Unter den Bonner Bundestagsabgeordneten hat die "Ehe für alle" eine 2/3-Mehrheit. Katja Dörner von den Grünen und Ulrich Kelber von der SPD stimmten mit "Ja" gestimmt, Claudia Lücking-Michel von der CDU mit "Nein".

Der CDU-Abgeordnete Jan-Marco Luczak warb in der Debatte eindringlich bei seinen Fraktionskollegen für die Unterstützung des Gesetzentwurfes. Er sagte: „Kein Kind wird weniger geboren, nur weil es Schwulen und Lesben auch möglich ist zu heiraten.“ Die Ehe sei konservativ und spreche für Tradition.

Der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs hielt regelrecht eine Wut-Rede darüber, dass Merkel und ihre Union so lange eine Abstimmung verhindert hatten. Merkel rede „verschwurbelt“, ihre Ansichten seien „erbärmlich“ und „peinlich“. Kahrs schimpfte: „Es steht mir bis hier.“ Er rief: „Wir haben die Gleichstellung verdient.“

Große Freude über die völlige Gleichberechtigung von Homosexuellen, für die er Jahrzehnte kämpfte, zeigte hingegen Volker Beck (Grüne). Ihm liefen die Tränen über das Gesicht, als er anschließend dem TV-Sender Phoenix sagte: „Das ist wirklich ein toller Sieg, weil es ein stückweit gesellschaftlicher Frieden bedeutet.“

Der SPD-Abgeordnete Karl-Heinz Brunner trat mit einer Regenbogenkrawatte ans Mikrofon und sprach von einem wunderschönen Tag, an dem Liebe und Verstand zu ihrem Recht kämen und die Diskriminierung von Lesben und Schwulen beendet werde. Deutschland sei ein tolerantes Land. Der Linke-Abgeordnete Harald Petzold sagte, es werde niemandem etwas weggenommen: „Niemand muss, alle dürfen“. Die Welt werde sich einfach weiterdrehen. „Es wird lediglich ein paar mehr glückliche Menschen geben“.

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sprach von einer Abstimmung „für die Würde, für Gleichheit und für die Liebe“. Es gehe nicht um die Frage, ob Merkel oder ihr SPD-Herausforderer Martin Schulz (SPD) gewinne. „Wir schaffen ein Stück weit Normalität in unserem Land.“

Das Nein zur Ehe für Homosexuelle gilt als letzte konservative Bastion der Union. Unter Merkel als Parteivorsitzender hat die CDU schon mehrere Positionen geräumt, für die es in der Gesellschaft keine Mehrheit mehr gab - wie das Festhalten an der Atomenergie und der Wehrpflicht. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt zeigten sich überzeugt, dass das Grundgesetz unter dem Begriff Ehe nur ein Paar von Mann und Frau versteht und dies für besonders schutzbedürftig hält. Sie plädierten aber für Respekt vor Andersdenkenden.

Bislang durften Homosexuelle eine Lebenspartnerschaft amtlich eintragen lassen, aber nicht heiraten. Der wichtigste Unterschied war, dass Lebenspartner gemeinsam keine Kinder adoptieren durften.

Über das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare könne man „viel, viel eher reden als über die Gleichstellung derEhe“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer der in Regensburg erscheinenden „Mittelbayerischen Zeitung“ (Freitag). „Ich hatte ursprünglich mal Probleme mit der Tatsache. Aber nachdem ja in die Lebenspartnerschaft eingebrachte Kinder auch in dieser gleichgeschlechtlichen Partnerschaft verbleiben dürfen, gibt es eigentlich keinen durchschlagenden Grund dagegen.“

Einige Unions-Abgeordnete prüfen aber eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Justizminister Heiko Maas (SPD) hält eine Grundgesetzänderung hingegen für unnötig. „Wir sehen einen Wandel des traditionellen Eheverständnisses, der angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers die Einführung der Ehe für alle verfassungsrechtlich zulässt“, sagte er der „Bild“-Zeitung (Freitag).

Die FDP-Chef Christian Lindner sagte der Deutschen Presse-Agentur, durch die Eile der Entscheidung in dieser Woche sei dem in der Sache richtigen Anliegen „ein stückweit die Würde genommen“.

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