Nachfolge von Stefan Raab Das Fernsehen ist längst nicht mehr "total"

Warum Raabs Job für jüngere Moderatoren wie Jan Böhmermann oder Joko und Klaas wenig reizvoll ist.

Als Stefan Raab noch frech war und in schönster TV-Anarcho-Manier die Stars und Sternchen der Showbranche mit seinen Rabigrammen - kleine, meist zur Ukulele gesungene Ständchen - beehrte, besuchte er auch einmal Harald Schmidt in dessen Show, setzte sich an den Flügel und sang mit ganz viel Gefühl: "Du machst mich glücklich, wenn ich traurig bin", flötete er, während sich Schmidt auf dem Flügel räkelte, "du gibst meinem Leben einen neuen Sinn. Du reißt die wunderbarsten Zoten, doch ich, ich hab' die besseren Quoten."

Das war damals, vor beinahe 20 Jahren, noch eine hübsche Pointe. Weil eine junge, frische Generation (Raab) sich daran machte, die alte (Schmidt) aus dem Bildschirmrechteck zu schubsen. Nun ist Raab-Dämmerung; sie begann längst vor seinem jetzt angekündigten Abschied.

Das konnte die TV-Gemeinde spätestens miterleben, als Raab im März 2014 einen Ausschnitt aus einer angeblich chinesischen Fälschung seines TV-total-Formates anmoderierte, die auf Sendung gegangen sei, ohne dass die Macher überhaupt nur einmal gefragt hätten. Was der sich ziemlich echauffierende Showmaster nicht wusste: Hinter dem ganzen Schwindel steckte TV-Satiriker Jan Böhmermann, der die Sache in seiner eigenen Show, dem Neo-Magazin, aufklärte und noch ein paar Kübel Häme über die schlecht recherchierenden Kollegen von ProSieben ausgoss, die dem ziemlich platten Gag aufgesessen waren.

Böhmermann zählt fraglos zu den gescheitesten jungen Protagonisten des Late-Night-Formates. Das seit vergangenem Februar im Hauptprogramm des ZDF laufende "Neo Magazin Royale" ist die beste Unterhaltung, die das Fernsehen in diesem Genre derzeit zu bieten hat. Aber Nachfolger von Stefan Raab wird er trotzdem nicht. Genauso wenig wie das krawallige "Circus HalliGalli"-Moderatorenduo Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, die auf demselben Sender wie Raab unterwegs sind.

Das liegt daran, dass Raabs aus den 90er Jahren stammendes Format sich überlebt hat. Das Fernsehen ist im Zeitalter des Internets nicht mehr "total", Raabs Sendung hat als satirische Nabelschau deshalb auch nicht mehr das frühere Potenzial. Dass ein jüngerer Moderator wie Jan Böhmermann Interesse an Raabs Klassikern entwickeln würde, ist wohl auszuschließen. Denn er hat für sich mittlerweile das zeitgemäßere Format entwickelt, warum sollte er nun auf so einen alten Zug umsteigen?

Aber auch aus anderen Gründen dürfte eine Nachfolgeregelung für Raab nicht in Betracht kommen. Denn der Moderator ist in seiner Vielseitigkeit und Kreativität eine singuläre Erscheinung im deutschen Fernsehen. Vielleicht die letzte wirklich große Gestalt, die die Möglichkeiten des Mediums mit seinen zahlreichen eigenen Shows voll ausreizen konnte. Insofern lebte er das Prinzip "TV total" bis zur totalen Erschöpfung aus. Für ProSieben ist Raab deshalb noch schwieriger zu ersetzen, als es "Wetten, dass..?"-Moderator Thomas Gottschalk fürs ZDF war.

Jan Böhmermann fühlt sich in seiner öffentlich-rechtlichen Nische wohl, bedient von dort aus virtuos die sozialen Netzwerke. Und für Joko und Klaas gibt es überhaupt wohl nur einen Grund, in Raabs große Fußstapfen treten zu wollen: das eigene Quotenloch.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort