Rheinische Bräuche Jeden Tag ein Türchen

Ob Strohhalmlegen, Türchen am Adventskalender öffnen oder Kerzen am Adventskalender entzünden - im Rheinland gibt es eine ganze Reihe traditioneller Wege, sich auf Weihnachten einzustimmen. Volkskundlerin Dagmar Hänel schreibt im General-Anzeiger über adventliche Bräuche.

 Für die Adventssonntage entwickelte sich im 19. Jahrhundert der Brauch des Adventskranzes.

Für die Adventssonntage entwickelte sich im 19. Jahrhundert der Brauch des Adventskranzes.

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Weihnachten steht vor der Tür. Mit dem ersten Adventssonntag hat die Zeit der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest begonnen. Das Wort Advent kommt aus der lateinischen Sprache und bedeutet Ankunft. Die Christen ereiten sich auf das Fest Jesu Geburt vor. Der erste Advent ist zugleich der Beginn des Kirchenjahres.

Weil Weihnachten so eine große religiöse Bedeutung hat, ist auch die Vorbereitungszeit bedeutsam. Ein alter Brauch im Rheinland ist das Strohhalmlegen: Die Kinder wurden angehalten, in der Adventszeit jeden Tag ein Gebet zu sprechen oder eine gute Tat zu vollbringen. Zur Belohnung gab es jeweils einen Strohhalm, eine Feder, ein Stück Stoff oder Watte. Dies durfte das Kind in die leere Krippe legen, um im Laufe der Adventszeit für das Jesuskind eine weiche und warme Unterlage zu schaffen. Dieser Brauch ist eine sehr anschauliche Umsetzung einer theologischen Idee, die aus spätmittelalterlichen Frauenklöstern stammte: Die Nonnen sollten sich in der Adventszeit vorstellen, dass sie aus guten Taten und Gebeten Christus eine Krippe in ihrem Herzen bauten.

Viele ältere Menschen erinnern sich aber auch an ihr schlechtes Gewissen: Wenn sie nicht brav genug waren, gab es kein Stroh und es war ihre Schuld, wenn das Jesuskind in der Krippe nicht schön weich liegen konnte. Diese Art von Pädagogik wird spätestens in den 1960er Jahren zunehmend abgelehnt.

Die bis heute beliebten Adventskalender verbreiteten sich schon im 19. Jahrhundert. Sie sollen zum einen den Kindern die Zeit des Wartens verkürzen, aber auch Geduld und Disziplin vermitteln: Jeden Tag darf nur ein Türchen geöffnet werden. Was sich hinter den Türchen verbarg, war schon in ihrer Entstehungszeit sehr unterschiedlich: Beliebt waren Bildchen, kleine Figuren und schon damals natürlich Schokolade. Seit einigen Jahren gibt es zunehmend neue Formen des Adventskalenders. Der „lebendige Adventskalender“ wird in vielen Gemeinden, Orten und Stadtteilen praktiziert. Dabei öffnet sich jeden Tag eine echte Tür oder ein Fenster für die Teilnehmer mit einer weihnachtlichen Aktion. Glühwein oder Plätzchen, eine Weihnachtsgeschichte oder ein Lied, eine Kerze oder ein Stern – der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Immer gilt: für eine kleine Zeitspanne kommen Menschen zusammen, um sich mit einem kleinen Ritual gemeinsam auf Weihnachten einzustimmen.

Für die Adventssonntage entwickelte sich ebenfalls im 19. Jahrhundert der Brauch des Adventskranzes: Ein Kranz aus Tannenzweigen oder anderen Materialien wird mit vier Kerzen geschmückt. An jedem Sonntag wird eine weitere Kerze angezündet, so dass am vierten Advent alle vier Kerzen brennen.

Dabei haben sich in vielen Familien feste Rituale entwickelt. Beispielsweise der Adventskaffee mit Lebkuchen oder selbst gebackenen Plätzchen, das Frühstück am Adventssonntag, das mit besonderer Ruhe eingenommen wird. Immer ist der Adventskranz mit den brennenden Kerzen Zentrum des Familientisches. Der erste Adventskranz stand nicht auf einem Tisch, sondern hing von einer Decke. Im „Rauhen Haus“, einer Einrichtung für schwer erziehbare Jugendliche in Hamburg, dachte der damalige Leiter, der evangelische Theologe Johann Heinrich Wichern, über ein Ritual zur Adventszeit nach. Es sollte die Wartezeit deutlich machen, aber auch etwas von der Weihnachtsbotschaft vermitteln. Er baute einen großen Kranz mit 24 Kerzen, jeden Morgen wurde beim gemeinsamen Morgengebet eine zusätzliche Kerze entzündet. Für die Werktage stellte er kleine rote, für die vier Sonntage dicke weiße Kerzen auf.

Die Kerzen symbolisieren Christus, der als Licht der Welt erscheint. Der Lichterbrauch wurde schnell populär und verbreitete sich in einer etwas kleineren Form – eben mit den vier Kerzen für die vier Adventssonntage – in ganz Deutschland.

In unserer Serie „Rheinische Bräuche“ schreibt Dr. Dagmar Hänel, leitende Volkskundlerin beim Landschaftsverband Rheinland (LVR) über hiesige Traditionen.

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