In der Höhle der Lions Das G-A-Team testet Futsal beim Bonner SC

Bonn · Zehn Mitarbeiter probieren für sie ungewohnte Sportarten aus. In dieser Folge wagt sich Alexandra Mölleken in die Höhle der "BSC Futsal Lions". Dort sind Fähigkeiten wie Schnelligkeit, Technik und Präzision besonders gefragt.

Athletisch und leichtfüßig bewegen sich die Spieler der Bonner SC Futsal Lions über das Feld, als ich die große Sporthalle auf dem Gelände des Sportparks Nord betrete. In diesem Moment ist mir klar: Es wird ernst. Alexandra allein unter Männern! Normalerweise bin ich neben meinem Studium als freie Mitarbeiterin in der Online-Redaktion tätig – dort bin ich allerdings nicht allein an der Damen-Front. Im Rahmen der Serie „G-A-Team“ wurde ich jedoch von den Lesern zum Herrentraining der ersten Mannschaft der Bonner Futsaler geschickt.

Futsal? Also einfach Fußball in der Halle? Nicht so ganz. Denn Futsal ist laut Philip Verminnen, dem Mitgründer und Leiter der BSC Lions, „Straßenfußball mit Regeln”. Seine Ursprünge hat Futsal in den 30er Jahren in Südamerika. 1989 hat die Fifa die Variante des Hallenfußballs weltweit anerkannt, und doch steckt das Spiel mit dem Lederball ausgerechnet bei der Fußballnation Deutschland noch in den Kinderschuhen. Schuhe sind ein gutes Stichwort. Die sollte ich ich vor dem Training besser noch anziehen. Während ich mir also meine blauen Hallentreter binde, fährt der Coach mit der theoretischen Einweisung fort.

Kleiner, weniger aufgepumpt und sprungreduziert

Seit 2013 wird der Futsal-Ball durch die Bonner Hallen gekickt. Apropos Ball: Dieser ist ein wichtiges Merkmal, wodurch sich Futsal vom aus der Schulzeit bekannten Hallenfußball unterscheidet. Der Futsal-Ball ist kleiner, weniger aufgepumpt und sprungreduziert. Generell sind immer zehn Spieler – vier Feldspieler und ein Torwart pro Team – auf dem Feld. Gespielt werden zwei Halbzeiten à 20 Nettominuten. Geschossen wird auf Handballtore.

„Die meisten Superstars wie Ronaldo, Messi, Neymar, Ibrahimovic oder Zidane haben mit Futsal angefangen”, so Verminnen, selbst gebürtiger Brasilianer. „Dadurch lernten sie Präzision, Technik und Schnelligkeit.” Auch Max Meyer, Mittelfeldspieler beim Bundesligisten FC Schalke 04, führt seine Technik auf Futsal zurück.

Gewappnet mit Unmengen an Theorie, dem motivierenden Satz von Verminnen im Kopf, dass ich mir „Futsal so vorstellen kann, als würde man auf einem normalen Fußballfeld mit 37 gegen 37 spielen”, begebe ich mich – also komplett überfordert – in die Höhle der Lions. Ich versuche, mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Ich mache Trainer Raúl de Azevedo, ebenfalls Mitgründer des Vereins, klar, dass ich kein Mädchen-Mädchen bin und durchaus mit Bällen und Anstrengung umgehen kann. Das lässt er sich natürlich nicht zweimal sagen.

„Erst einmal locker warmlaufen”, erklärt de Azevedo. Seine Genugtuung, als ich nach Linienläufen, Sprints und Laufübungen die Schweißperlen von der Stirn wischen muss, ist nicht zu übersehen. Verschnaufpause? Fehlanzeige. Direkt geht es weiter mit Passübungen.

Ich habe die Ehre, mit Kapitän Pascal Wenker ein paar Bälle hin und her zu schießen und mache zu meiner Überraschung gar kein so schlechtes Bild. Im Schnelldurchlauf erklärt mir der Trainer die Grundzüge des Futsals anhand einer Metalltafel und betont: „Technik und Präzision sind das A und O des Futsals.” Dann geht es los. Bisher hatten wir uns ja lediglich warm gemacht.

De Azevedo drückt mir ein neongelbes Leibchen in die Hand und ordnet mich einem Team zu. Die Jungs passen, was das Zeug hält. Auch ich komme zum Einsatz und füge mich gut in die Mannschaft ein. Vor, zurück, rechts, links – und Tor. Nicht von mir, aber immerhin für mein Team, also bin ich indirekt auch an dem Erfolg beteiligt. Vom Spielfeldrand schreit der Trainer seine Jungs an: „Laufen, decken, rüber, schneller!” Und auch bei mir macht er keine Ausnahme.

Nichts für schwache Nerven und definitiv auch nichts für schwache Muskeln. Am Ende der Trainingseinheit klopft mir Kapitän Wenker auf die Schulter: „Du hast dich wirklich gut geschlagen.” Einige Tage später erfahre ich jedoch, dass Trainer de Azevedo sein Amt niedergelegt hat. Hoffentlich hat das nichts mit mir zu tun.

Augen zu und durch

Dann geht es weiter, denn es ist noch nicht vorbei: „Als Dank für dein tapferes Durchhalten haben wir noch eine Challenge für Dich”, rufen mir die Jungs zu, als ich mich vom Spielfeld entfernen will. Als ich das Grinsen der Mannschaft sehe, ahne ich nichts Gutes: Schließlich muss ich die Position wechseln und den Torhüter ablösen.

Schnell stelle ich fest, dass mir die Perspektive vom Spielfeld aus besser gefallen hat. Sie wirkt definitiv weniger bedrohlich. Und Torhüterhandschuhe wie beim Fußball gibt es beim Futsal auch nicht. Ein bisschen Angst bekomme ich tatsächlich.

Aber nun heißt es: Augen zu und durch. Ball Nummer eins landet schneller im Tor, als ich gucken kann. Und auch Nummer zwei und drei fliegen in die Maschen. Beim vierten Versuch kann ich mir den ersten Punkt auf die Kappe schreiben – leider aber nicht dank meiner Torhüterfähigkeiten, sondern weil er vorbeigeschossen wird. Naja, Punkt ist Punkt, denke ich mir. Und auch der letzte Ball ist auf meiner Seite und fliegt weit über das Tor hinaus. Das wollen die Futsal-Spieler aber nicht auf sich sitzen lassen und haben die grandiose Idee, alle gleichzeitig aufs Tor zu zielen.

In Gedanken will ich mir noch eine gute Ausrede zurechtbasteln, komme aber gar nicht mehr dazu, diese auszusprechen. Ich werde so plötzlich aus meiner Trance geholt, denn zwölf Bälle fliegen zielstrebig in meine Richtung. Halten scheint mir unmöglich, weshalb ich mich wie ein Embryo auf dem Boden zusammenkauere und den Ballregen über mich ergehen lasse – auch, weil vor Lachen meine Körperspannung nachgelassen hat.

Am Ende stehe ich nichtsdestotrotz unverletzt und erhobenen Hauptes auf und bedanke mich bei den Futsalern für die harte, aber wirklich coole Trainingseinheit. Ich wollte mittrainieren, also habe ich auch das volle Programm erhalten – meine Muskeln haben mich Tage danach noch daran erinnert.

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