Halle Beuel Michael Lippold inszeniert "Kasimir und Karoline"

Beuel · Auf einer großen Drehscheibe stehen sie wie komische Marionetten, bis sie die Münchner Hymne vom "Alten Peter" anstimmen. Es herrscht Oktoberfest, Gemütlichkeit ist angesagt zwischen Achterhahn und Rutschbahn. Ungemütlich sind freilich die über hundert kleinen Szenen, die Ödön von Horváth aneinanderreiht in seinem 1932 uraufgeführten Volksstück "Kasimir und Karoline". "Eine Ballade voll stiller Trauer, gemildert durch Humor", so der Dichter. Genau so hat Michael Lippold es in der Halle Beuel inszeniert.

 Wie Marionetten: Szene aus der Bonner Produktion von "Kasimir und Karoline".

Wie Marionetten: Szene aus der Bonner Produktion von "Kasimir und Karoline".

Foto: Thilo Beu

Er hebt die Einsamkeit der Figuren im Jahrmarktstaumel hervor, konzentriert sich auf die Dialoge, die er oft weit nach vorne an die Rampe holt und in ihrer monologischen Substanz beleuchtet, während im Hintergrund das Getriebe innehält. Das geht gelegentlich auf Kosten der szenischen Spannung, entwickelt aber poetische Momentaufnahmen.

Alles dreht sich auf der Bühne von Julia Ries, ab und zu hüpfen einige sogar in ein tiefes Trampolin-Loch im Vordergrund und federn wieder empor wie Stehauf-Puppen. Hoch hinaus will die hübsche Karoline. Maria Munkert spielt wunderbar klar und eigensinnig die selbstbewusste, berufstätige junge Frau, die vom Leben etwas haben will. Abgebaut wurde der Kraftfahrer Kasimir, der feine Leute in Kabrioletts chauffierte, bevor die Massenarbeitslosigkeit ihn zum Versager stempelte.

Falilou Seck spielt den verstörten Verlierer sehr sensibel. In Kasimirs mit bildungsbürgerlichen Sprachrelikten aufgeladener Resignation brodelt die kalte Wut auf die ökonomischen Verhältnisse, die seine Liebe unmöglich machen. Sein Ernst grenzt ans Lächerliche, seine Verzweiflung schafft aber ein solides Bindeglied zur Wirtschaftskrisen-Welt des 21. Jahrhunderts. Lippolds Regie braucht dafür glücklicherweise weder Handys und iPads, sondern nur feinste Theatermittel.

Dass die Liebe nimmer aufhört, wissen wir aus der Bibel. Sie hört jedoch auf, wenn ein Kasimir kein Geld mehr hat für seine Karoline. Allerdings so melancholisch lebendig, dass die Aufführung Denkschichten aktiviert und entsprechend bei der Premiere gefeiert wurde.

Nächste Vorstellungen: 29. September, 6., 19. und 28. Oktober. Karten in den Bonnticketshops der GA-Zweigstellen und bei bonnticket de

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