Vorfall im ZUE in Sankt Augustin Veröffentlichtes Video zeigt ein verzerrtes Bild aus der Flüchtlingsunterkunft

Sankt Augustin · Ein Video aus der Zentralen Unterbringungseinrichtung für Flüchtlinge in Sankt Augustin macht in Sozialen Netzwerken die Runde. Gibt es tatsächlich Missstände, und wenn ja, welche?

 Beamte der Polizei und des Ordnungsamtes gehen mit Nasen-Mundschutzmaske und Schutzanzug in die Flüchtlingsunterkunft in Sankt Augustin.

Beamte der Polizei und des Ordnungsamtes gehen mit Nasen-Mundschutzmaske und Schutzanzug in die Flüchtlingsunterkunft in Sankt Augustin.

Foto: dpa/Marcel Kusch

Bilder von Müll, leeren Seifenspendern und Mitarbeitern ohne Schutzausrüstung aus der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) des Landes in Sankt Augustin machen zurzeit in den Sozialen Medien die Runde. Ein Video endet mit den Worten: „Bitte verfolgt diese Katastrophe dort drinnen und helft uns, unsere Rechte zu bekommen.“ In der Landesunterkunft ist die Zahl der Corona-Infektionen nach Auswertung weiterer Test leicht angestiegen. Nach Angaben der zuständigen Bezirksregierung Köln sind bis Freitag insgesamt 162 Bewohner und 14 Mitarbeiter positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden.

Die Personalsituation ist nach Auskunft der Bezirksregierung eng, „aber der Betrieb kann aufrecht gehalten werden“. Sowohl beim Sicherheitsdienst als auch beim Betreuungsdienstleister sind wie berichtet Personen in Quarantäne. „An der Personalaufstockung wird mit Hochdruck gearbeitet“, sagte Pressereferent Dennis Heidel.

Auf dem Gelände stehen seit Donnertag neue Bauzäune, der Außenbereich der Quarantänezone wurde erweitert. Im Gebäude wird ein weiterer Quarantäneflur eingerichtet. Auf GA-Anfrage bestätigte die Bezirksregierung, dass es am Donnerstagabend einen Vorfall in der Isolierstation gab. Ein aggressiver Mann, der schon vorher auffällig geworden war, wurde dabei von einem anderen Mann verletzt. Nach ärztlicher Behandlung befindet sich die auffällige Person nun in einem anderen isolierten Bereich und wird vom Sicherheitsdienst bewacht.

Seife und Desinfektionsmittel sind vorhanden

Die Bilder der ZUE aus dem Youtube-Video sind echt, sie sind aber zum Teil nicht aktuell oder zeigen nur einen Ausschnitt der Situation. Ein Beispiel: Im Video werden leere Seifenspender in einem Waschraum gezeigt. „Das Bildmaterial verfälscht die aktuelle Situation. Seifenspender werden zwar nicht mehr nachgefüllt, jedoch wird Seife am Infopoint ausgehändigt. Die Bewohner besitzen Desinfektionsmittel, dass auf Nachfrage umgehend nachgefüllt wird“, berichtete die Bezirksregierung auf GA-Anfrage.

In den Waschräumen wurde die Seife offenbar geklaut. Dass es ausreichend Desinfektionsmittel gibt, bestätigte auch Ali Dogan, Chef des Krisenstabs der Stadt Sankt Augustin. Er hatte sich am Donnertag via Facebook zu den „Teil- und Unwahrheiten“ im Internet geäußert und Behauptungen widerlegt. Zum Beispiel die, dass Familien auseinander gerissen würden. „Es gab mehrere Familien mit einigen positiven und einigen negativen Befunden“, so Dogan. Dann ziehe entweder die gesamte Familie in den Isolierbereich, oder sie entscheide freiwillig, sich zu trennen. Etwas anderes lässt der Infektionsschutz nicht zu.

Eine andere Szene aus dem Video zeigt Mitarbeiter, die ohne Schutzausrüstung auf den Fluren unterwegs sind. „Das Betreuungspersonal bewegt sich in der Unterkunft grundsätzlich mit einem Mund-Nasen-Schutz (KN95) und einem Schutzkittel/Schutzanzug und Handschuhen. Bei Kontakt zu positiv getesteten Bewohnern werden zusätzlich ein Visier und Schuhüberzieher verwendet“, teilte die Bezirksregierung mit.

Müllentsorgung im ZUE ist ein Problem

Realistisch sind hingegen die Bilder von den Müllbergen im Hof. Laut Bezirksregierung gab es bereits Kontakt zur RSAG, um die Abholtermine zu verdichten oder zusätzliche Müllcontainer zu erhalten. Realistisch war auch das Bild von zahlreichen Handys, die an einer langen Steckerleiste aufgeladen werden. Was das Video nicht zeigt: Inzwischen haben die Bewohner Powerbanks bekommen, um ihre Handys im Zimmer aufzuladen. Strom gibt es dort aus Brandschutzgründen nicht, weil sich nicht kontrollieren lässt, ob jemand dort gefährliche Geräte wie einen Elektrogrill betreibt.

Was sollen die Bilder im Internet bewirken? „Die Bewohner sind unzufrieden mit der aktuellen Gesamtsituation und versuchen durch mediale Wirkung eine andere/bessere Unterbringung zu erwirken. Auch wird dadurch versucht, Zuweisungen in die Kommunen zu erwirken“, so die Bezirksregierung. Die Bilder zeigten vieles nicht, etwa auf Augenhöhe stattfindende Gespräche, „um trotz der Situation so gut es geht zu unterstützen“, oder Reinigungsarbeiten.

Ali Dogan, der mit den Mitarbeitern des Ordnungsdienstes schon seit Tagen in der Unterkunft im Einsatz ist, hält es für fahrlässig, Fotos oder Aussagen von Bewohnern im Internet zu verbreiten. Die Zusammenarbeit von Bezirksregierung, Betreiberfirma und Sicherheitsdienst mit der Stadt laufe hervorragend. Dogan: „Ich kann nur nochmals betonen, dass wir alle das erste Mal mit so einer Situation konfrontiert sind. Unter diesen Bedingungen schaffen wir fast Unmögliches.“

Mitarbeiter der Flüchtlingsheim aus der Quarantäne geholt

Die beiden seien nicht direkt mit Infizierten in Kontakt gewesen, sagte am Freitag ein Sprecher der Bezirksregierung Köln. Für drei andere Mitarbeiter, deren Rückholung ebenfalls beantragt worden sei, habe das Gesundheitsamt keine Erlaubnis erteilt.

Insgesamt sind aktuell 166 Bewohner und 13 Mitarbeiter der Unterkunft in Sankt Augustin infiziert. Die Unterkunft bietet Platz für 600 Menschen, ist den Angaben zufolge derzeit aber nur mit 312 Personen belegt. In der vergangenen Woche war in der Landesunterkunft der erste Corona-Fall bekannt geworden. Das Gesundheitsamt hatte daraufhin Tests aller Bewohner und Mitarbeiter veranlasst und die Unterkunft unter Quarantäne gestellt.

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