Joachim Heinen aus Buschhoven Landwirt aus der Region spricht über Demo in Berlin

Landwirt Joachim Heinen betreibt in der vierten Generation den Rosenhof in Buschhoven. Er hat nun in Berlin demonstriert, um zu zeigen, dass „der Baum brennt“. Über seine Beweggründe und Erfahrungen hat er im Interview gesprochen.

 Der Buschhovener Landwirt Joachim Heinen war am vergangenen Dienstag in Berlin bei der großen großen Bauerndemo dabei.

Der Buschhovener Landwirt Joachim Heinen war am vergangenen Dienstag in Berlin bei der großen großen Bauerndemo dabei.

Foto: Axel Vogel

Landwirt Joachim Heinen betreibt in der vierten Generation den Rosenhof in Buschhoven. Zu Wochenbeginn war der 56-Jährige bei der Großdemo der Bauern aus ganz Deutschland in Berlin dabei. Darüber, aber auch über die Forderungen und die Situation der Landwirtschaft sprach er mit Axel Vogel.

Herr Heinen, Sie sind am Montag mit tausenden Kollegen aus ganz Deutschland zur Großdemonstration nach Berlin gereist. Mitgemacht hatten Sie schon bei der Großdemo in Bonn. Warum war Berlin für Sie wichtig? 

Joachim Heinen: Für mich war wichtig, dass wir dort mit vielen Kolleginnen und Kollegen aufgetreten sind, um zu zeigen, dass „der Baum brennt“ und wir mit dem Rücken an der Wand stehen. Aber auch, dass aus der gesamten Bundesrepublik Bauern dort sind. Wir wollten mit vielen Teilnehmern natürlich auch eine gewisse Aufmerksamkeit erzielen.

Wie haben Sie die Stimmung in Berlin erlebt?

Heinen: Die Stimmung unter den Landwirten war angespannt und gereizt. Man war natürlich neugierig, was unsere Umwelt- und Landwirtschaftsministerinnen uns sagen würden. Aus den Medien wurde uns ja vermittelt, dass sie von ihren Linien nicht groß abweichen würden.

Wurde das Demonstrationsziel erreicht?

Heinen: Ziel der Demo war es natürlich, durch die Zahl der Teilnehmer mit und ohne Schlepper zu zeigen, dass die Lage in der Landwirtschaft ernst ist und wir für unsere Interessen kämpfen werden. Wobei Interessen ja heißen soll, dass wir in einen Dialog mit der Politik, aber auch mit den Verbrauchern kommen wollen und Entscheidungen nicht über unsere Köpfe hinweg getroffen werden. Ich denke, dass wir in Berlin einen ersten kleinen Schritt gemacht haben. Fast alle Parteien haben zu uns gesprochen, und wir sind wahrgenommen worden.

Was ärgert, beziehungsweise stört Sie an der politischen Debatte im Moment am meisten?

Heinen: Dass diejenigen, die in Berlin und Brüssel entscheiden, zu wenig von der Basis wissen und häufig nur Entscheidungen getroffen werden, um Wählerstimmen einzufangen. Die derzeitige Politik vermittelt einem das Gefühl, das die deutsche, aber auch europäische Landwirtschaft nicht mehr so einen hohen Stellenwert haben, da man Lebensmittel aus der ganzen Welt billig importieren kann.

Viele Landwirte in der Region haben symbolisch Kreuze auf ihren Feldern aufgestellt. Speziell auf Ihre Belange und Ihren Betrieb bezogen: Wie dramatisch ist die Situation?

Heinen:  Sehr dramatisch, denn Politik und Handel treiben uns vor sich her. Ich führe unseren Betrieb hier in Buschhoven in der vierten Generation. Mein Sohn, der mittlerweile einen eigenen Betrieb in der Grafschaft hat, könnte hier auf unserem Hof mit mir zusammen kein ausreichendes Einkommen erzielen. Obwohl wir den Betrieb vor einigen Jahren auf Sonderkulturen – Rhabarber, Kürbis und Johannisbeeren – umgestellt haben. Vom Ackerbau, den wir früher betrieben haben, hätten wir mit der jetzigen Flächenausstattung schon jetzt keine Chance mehr. Aber auch bei den Sonderkulturen wird es immer schwerer, ein vernünftiges Einkommen zu erzielen, weil immer mehr billige ausländische Ware angeboten wird.

Was müsste aus Ihrer Sicht politisch passieren, um den Landwirten das (Über-)Leben einfacher zu machen?

Heinen: Abbau von Bürokratie, aber das wird in Zukunft eher noch mehr. Aber vor allem, dass wir zumindest in Europa die gleichen Bedingungen haben. Damit meine ich Anbaubedingungen wie Pflanzenschutz und Düngung und vor allem die gleichen Mindestlöhne und Sozialstandards. Dadurch sind wir sogar in Europa nicht mehr wettbewerbsfähig. Wenn ich an Mercosur denke, natürlich auch Importbeschränkungen etwa beim Rindfleisch.

Welche Rolle spielen die Verbraucher? Würde es Ihnen und Kollegen in der Region helfen, wenn der Verbraucher mehr Ost und Gemüse aus der Region beziehen würden?

Heinen: Natürlich würde uns das helfen. Aber Reden und Tun sind eben doch zwei verschiedene Dinge. Dem Verbraucher muss einfach klar sein, dass die hohen Standards, die wir hier einhalten, um diese hohen Qualitäten zu erreichen, die der Handel haben will, auch ihren Preis haben. Und regional heißt dann natürlich auch saisonal. Der Verbraucher müsste auch seinen Konsum und seine Ernährung ändern und an das hiesige Angebot anpassen. Das heißt dann im Umkehrschluss, dass man nicht das ganze Jahr über alles an Obst und Gemüse zur Verfügung hat.

Welche Rolle spielen die Discounter? Anders gefragt: Wie schlimm trifft es Ihren Berufsstand, wenn Äpfel aus Chile in den Auslagen angeboten werden?

Heinen: Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) bestimmt, was der Verbraucher kauft – und zu welchem Preis. Das ist ein riesiges Problem. Ausländische Produkte können durch die schon erwähnten niedrigeren Standards und vor allem niedrigeren Löhne hier so billig auf den Markt gebracht werden. Da haben wir keine Chance mehr, Transporte rund um die Welt sind so billig, dass das nicht mehr ins Gewicht fällt. Und diese Machtstellung nutzt der Handel skrupellos aus. Die Ketten bekriegen sich nur um den Preis. Wenn der Eine sein Angebot macht geht der Nächste noch drunter – und wenn du nicht mitspielst, wirst du ausgelistet und bleibst auf deiner Ware sitzen. Beim LEH geht es nur um Umsatz und Gewinn pro laufenden Meter Regal.

Müssen sich die Landwirt in der Umwelt- und Klimadebatte auch ein Stück weit an die eigene Nase fassen? Stichwort: Überdüngung und Grundwasserbelastung mit Nitrat? Die EU fordert hier seit Jahren von Deutschland die Einhaltung der Werte.

Heinen: Die Landwirtschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten schon verändert, auch was den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Dünger angeht. Die Beratung und die Wissenschaft sind effizienter geworden, die Kosten sind stark angestiegen bei relativ gleichbleibenden Erlösen, so dass jeder Landwirt darauf bedacht ist, nur das Nötigste zu tun. Aber die Politik hat uns ja dahin getrieben: „Wachse oder weiche“ waren die Vorgaben. Zum Thema Nitrat ist aber auch noch zu sagen, dass man die Messstellen nochmal überprüfen muss. Da haben unsere Nachbarländer alle Messstellen gemeldet, und wir hier in Deutschland nur die sensiblen. Dadurch haben wir viel mehr rote Gebiete als unsere Nachbarn. Wir hatten 2017 schon eine Düngenovelle, die uns in der Düngung stark eingeschränkt hat. Aber nach zwei Jahren ist es natürlich kaum möglich, dass da schon Veränderungen im Grundwasser erkennbar sind. Das ist ein längerer Prozess, den man erst einmal abwarten sollte.

Wie ist Ihre persönliche Perspektive?

Heinen: Ich hoffe, dass meine Familie und ich die nächsten zehn Jahre bis zu meiner Rente von unserem Betrieb weiter leben können. Und dass meine Kinder auch diesen Betrieb weiterführen werden. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht, und ich liebe die Arbeit in und auch mit der Natur, die sich ja im Moment auch stark verändert.

Sind weitere Demonstrationen geplant?

Heinen: Wir warten jetzt erst einmal ab, ob die Politik die angebotenen Gespräche führt und auf den angebotenen Dialog mit uns eingeht. Und wenn ja, was dabei herauskommt. Ich bin sehr skeptisch. Größere Demos sind meines Wissens im Moment nicht geplant. Aber ich gehe davon aus, dass wir kleinere Infoveranstaltungen, gerade für die Verbraucher, auch jetzt in der Vorweihnachtszeit durchführen werden, um auch hier stärker in den Dialog zu kommen und mehr Aufklärung zu erreichen.

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